Meine klaren Erinnerungen an Weihnachten gehen zurück bis ins Jahr 1950. Ich war damals sechs Jahre alt und habe zu diesem Zeitpunkt mein erstes Weihnachtsfest bewusst erlebt.

Diese Zeit, vor mittlerweile 75 Jahren, ist mir deswegen so gut in Erinnerung geblieben, weil mein kleiner Bruder genau 2 Monate vor Weihnachten geboren wurde. Trotz allen Trubels um den kleinen Kerl war die Vorweihnachtszeit in unserem Heim überdeutlich zu spüren. Meine Eltern fanden neben dem üblichen Stress noch genügend Zeit, die weihnachtlichen Vorbereitungen zu treffen. Es wurde gebacken, gebastelt, Leckereien gekauft und nach passenden Geschenken gesucht.
In unserer notdürftig hergerichteten Nachkriegs Wohnung duftete es ständig interessanter als zu den anderen Jahreszeiten. Mein Vater hatte kurz vor Heiligabend einen Tannenbaum angeschleppt und gleich in unserem Abstellraum sicher verstaut. Die Eltern glaubten tatsächlich, dass wir nichts davon bemerkt hätten. Zusammen mit meiner größeren Schwester versuchten wir immer wieder vergeblich einen Blick auf das zu erhaschen, was da immer heimlich bei unseren Eltern vor sich ging.
Zu allem Überfluss waren wir auch noch gezwungen, ein Weihnachtsgedicht auswendig zu lernen. Ohne Weihnachtsgedicht am Heiligabend konnten wir unsere Bescherung vergessen.

Nach fast unendlicher Qual sollten wir dann doch noch den 24. Dezember erleben. Gemeinsam mit dem Vater ging es zuerst in die Christmette. Im Anschluss daran wurden wir zu einem langen Spaziergang bei leichtem Schneefall aufgefordert, der anscheinend kein Ende finden wollte. Später erfuhren wir dann, dass die Mutter die Zeit nutzte, unseren Baum wunderschön, mit Kerzen, Lametta und bunten Kugeln zu schmücken.
Gottlob fand unsere Wanderung auch irgendwann ein Ende und wir durften uns in der Diele Mäntel und Schuhe ausziehen und weiterhin warten. Erst als die ersten Weihnachtslieder aus unserem Plattenspieler zu hören waren und ein Glöcklein erklang, öffnete sich die Tür zum Wohnzimmer und wir standen staunend vor unserem festlich geschmückten Weihnachtsbaum. Für uns Kinder war das etwas ganz Besonderes.
Unter dem Baum war eine Tischdecke ausgebreitet, unter der sich leichte Erhebungen abzeichneten, wobei es sich vermutlich um unsere Geschenke handelte. Das Geheimnis wurde aber erst gelüftet, nachdem wir unsere Gedichte aufgesagt hatten, was auch einigermaßen funktionierte, trotz einiger Versprecher, ausgelöst durch unsere Aufregung.

Unter der Decke befand sich für Jeden von uns ein großer Teller mit frischem Obst, selbstgebackenen Plätzchen und einem Haufen unterschiedlichster Süßigkeiten, eine herrliche Sache, die es eigentlich nur zu Weihnachten gab.
Meine Mutter hatte mir zu Weihnachten einen schönen, zweifarbigen Anzug, mit kurzer Hose gestrickt, den ich nicht nur sonntags tragen durfte, der war auch für die Schule vorgesehen. Von meinem Vater bekam ich seine bisherige Briefmarkensammlung, für die ich ja jetzt schon groß genug sein sollte. Am meisten war ich allerdings über eine große Tüte mit bunten Glaskugeln erfreut, die ich zum spielen mit meinen Freunden brauchen konnte.

Unmittelbar nach der Bescherung begann wieder der Stress. Wir mussten, wie bereits im letzten und auch in den kommenden Jahren, weitere Geschenke zusammenraffen und uns auf den Weg zu unseren Großeltern machen, die etwa zwei Kilometer von uns entfernt wohnten. Zu Fuß und mit Geschenken beladen war das kein Zuckerschlecken.
Bei Oma angekommen gab es dann ebenfalls unter festlich geschmücktem Baum, für die Gesamtfamilie mit Tante, Onkel und Tochter, auf engstem Raum eine zweite Bescherung mit weiteren Süßigkeiten, Socken, Unterwäsche und anderen Kleinigkeiten. Natürlich musste auch dort von den Kindern vorher ein Weihnachtsgedicht aufgesagt werden.

Nach der Bescherung fand dann das große gemeinsame Heiligabendessen mit jeweils einem halben Hähnchen aus dem Wienerwald und reichlich Beilagen statt.
Für uns Kinder war das zu dieser Zeit ein herrliches Festessen.

Mit gut gefülltem Bauch ließ es sich es sich danach gut singen und gemeinsame Spielchen durchführen.
Fast jede Feier endete für uns Kinder dadurch, dass mein Vater sich mit seinem Moped auf den Weg zu seiner Nachtschicht am Hochofen machen musste. Das war nie sehr schön, aber wichtig für die Eltern.
Trotzdem lag ein sehr schöner Abend inmitten der Familie hinter uns, als wir uns wieder zu Fuß auf den Heimweg machten.

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